Im rumänische Iași (gesprochen „Iasch“) traf sich vergangene Woche die europäische Jugendschachelite, um in 7 Runden die Sieger der Team-EM auszuspielen. 12 Jugendliche vom Deutschen Schachbund waren in vier Altersklassen am Start. In der Klasse U12w wurden an Brett 1 Paula Czäczine vom Chemnitzer Schachklub und an Brett 2 die erst 10-jährige Lily Schirmbeck vom SK Halle nominiert, die eigentlich sogar noch eine Altersklasse darunter antreten könnte. Trainiert wurden die Mädchenmannschaften von der NRW-Landestrainerin Carmen Voicu-Jagodzinsky. Beide Spielerinnen zusammen gehörten mit Platz 3 der Setzliste zum erweiterten Favoritenkreis. Die Konkurrenz bei internationalen Wettbewerben ist aber erfahrungsgemäß immer sehr stark und die Kinder entwickeln ihre schachlichen Fähigkeiten in einem derartigen Tempo, dass niemand sich im Vorfeld erlaubte, irgendwelche Prognosen zum Ausgang abzugeben.
Vor der ersten Runde – Gleich gehts los!
So war es auch keine Überraschung, dass das nominell klar schlechtere lokale Team aus Iasi sich in der ersten Runde heftig, aber letztlich erfolglos gegen die Favoriten aus Deutschland wehrte. Lily und Paula gewannen beide ihre Partien. In der zweiten Runde wurde dann Polen, der spätere Turniersieger, als Gegner gelost. Lilys Gegnerin Varvara Matskevich spielte aus der Eröffnung heraus ein sehr schönes Läuferopfer, welches Lily annahm und zu widerlegen versuchte. In einer wilden Partie ging es auf dem Brett hin- und her. Lily erkämpfte sich schließlich Ausgleich, verlor dann aber in beiderseitiger Zeitnot das Endspiel. Paula neben ihr erging es nicht besser, am Ende lautete das Ergebnis also 0:2.
Aus Varvara Matskevich – Lilian Schirmbeck: Weiß hat erst Leichtfiguren auf f6 und d7 getauscht und dadurch alles vorbereitet. Gleich knallt es auf e6 und der wilde Schlagabtausch beginnt.
In der dritten Runde gegen die Türkei lief es dann wieder besser. Lily machte Druck am Königsflügel und konnte schließlich einen taktischen Fehler der Gegnerin nutzen, um ein gewonnenes Endspiel zu bekommen, welches sie dann sicher verwertete. Paula gewann auch mit etwas mehr Mühe, also wieder 2:0 gewonnen. In der vierten Runde ging es dann wieder gegen Rumänien, diesmal gegen die Nationalmannschaft. Die Rumäninnen hatten die nominell etwas schlechtere Spielerin an Brett 1 gesetzt, Lily hatte also die vermeintlich größere Herausforderung vor sich sitzen. Im 16. Zug bot die Gegnerin eine Zugwiederholung an, Lily wollte die Partie aber gewinnen und ging nicht darauf ein. Im Endspiel war dann der Sieg tatsächlich möglich, Lily fand die Gewinnidee aber nicht und die Partie wurde Remis, ebenso die von Paula. Endstand: 1:1.
Aus Lily Schirmbeck – Neris Hatuk: Die Türkin zog gerade Le7, ein schwerer Fehler. f5 mit Abzugsangriff auf die Dame und darauf folgend f6 mit Figurengewinn entscheidet die Partie.
Zur Halbzeit lag Deutschland auf Platz 3, die Polinnen waren inzwischen mit 3 Siegen und einem Remis enteilt, die Rumäninnen belegten mit einem Punkt Vorsprung den Silberrang. Gegen beide Teams wurde schon gespielt, daher hieß es nun seine Matches zu gewinnen und auf Fehler der Konkurrenz zu hoffen. Die Gegner in Runde 4 war Frankreich, nach ELO-Zahl das stärkste Team des Wettbewerbs. Lily und Paula wurden von Carmen intensiv und ideenreich auf ihre Gegnerinnen vorbereitet. Lily spielte eine recht langweilige Partie gegen Anna Maret aus Toulon (nähe Marseille). Anna hatte vermutlich den Matchplan, mit Weiß ein Remis gegen die nominell etwas stärkere Lily zu erreichen, was auch problemlos gelang. Auf Vorteil zu spielen war in dieser Partie einfach nicht drin. Die Französinnen setzten darauf, dass ihre Nummer 1 Emilie Alfano, die nominell stärkste Spielerin des Turniers (ELO >1800), die Partie gegen Paula gewinnen würde. Emilie erarbeitete sich Vorteile, überriss aber bei ihren Gewinnversuchen schließlich ihre Stellung. Paula erreichte ein gewonnenes Endspiel, fand aber zur Verzweiflung der bangenden Zuschauer lange den Gewinnweg nicht. Schließlich nach 5 Stunden und 116 Zügen konnte sie die Partie dann doch für Deutschland entscheiden. Der Jubel war riesengroß und Paula die Heldin der Stunde.
Nun war das Selbstvertrauen endgültig aufgebaut. Gegen Slowenien war Lily dann an der Reihe, den entscheidenden Punkt zu machen. Gegen ihre Gegnerin Sofia Timagina packte sie nach intensiver Vorbereitung durch Carmen ein Gambit aus, welches sie noch nie zuvor gespielt hatte und auf das Sofia überhaupt nicht vorbereitet war. Sie verbrauchte daraufhin viel Zeit in der Eröffnung und Lily konnte einen schönen Eröffnungsvorteil für sich herausholen. Im weiteren Verlauf machte sie dann aber einen taktischen Fehler, nachdem sich die Partie komplett hätte drehen können. Sofia „revanchierte“ sich aber unmittelbar, fraß einen Bauern, den sie nicht hätte fressen dürfen, und verlor dabei ihre Dame. Das Glück war dieses Mal auf Lilys Seite und die Medaille nach dem 1,5:0,5 Sieg schon vor der letzten Runde sicher, weil die Verfolgerinnen Punkte ließen. Da die Top-Teams alle schon gegeneinander gespielt hatten, war nicht damit zu rechnen, dass sich in der letzten Runde noch die Chance ergeben würde, auf dem Treppchen weiter nach oben zu klettern, und so war es dann auch: Polen und Rumänien gewannen ihre Spiele sicher 2:0, Deutschland spielte 1:1 und es blieb beim Bronze-Rang.
Aus Lily Schirmbeck – Sofia Timagina: Das Glücksschweinchen war dieses Mal auf Lilys Seite. Schwarz darf den d5 Bauern nicht mit der Dame schlagen, weil diese nach Txb6+ ungedeckt ist und verloren geht.
Die Siegerehrung war sehr bewegend, Carmen, Lily und Paula sind sehr stolz auf ihren gemeinsamen Erfolg, eine Medaille für Deutschland gewonnen zu haben. Ende September werden sich Lily und Paula schon wieder auf den Weg nach Rumänien machen (diesmal nach Mamaia) und um den Einzel-Europameistertitel spielen, glücklicherweise in verschiedenen Altersklassen.
Weitere interessante Infos und Berichte zum Event:
Bericht des Deutschen Schachbunds
Zwischenbericht des Deutschen Schachbunds
Turnierhomepage mit vielen Fotos
Paula Czäczine mit Carmen Voicu-Jagodzinsky und unserer Lily bei der Siegerehrung.
Sichtlich stolz mit Carmen Voicu-Jagodzinsky und Bundesnachwuchstrainer Bernd Vökler
Von links nach rechts: Carmen Voicu-Jagodzinsky, Lily Schirmbeck, Svenja Butenandt, Paula Czäczine und Luisa Bashylina im wunderschönen Iași