Ja, ihr lest richtig. Mir fiel ein Exemplar der Festschrift zum 40-jährigen Jubiläum des SK Halle aus dem Jahr 1986 in die Hände, die ein Interview mit Reiner Laube, der damals gerade frischgebackener Jugend Fernschachmeister war. Sein heutiger Geburtstag ist ist ein willkommener Anlass für eine Wiederveröffentlichung. Viel Spaß bei der Lektüre!

Mitte des Jahres 1985 war es endlich soweit! Die letzten Entscheidungen waren gefallen, und was sich schon seit längerem angedeutet hatte, wurde strahlende Wirklichkeit: Reiner LAUBE hatte bei der 20. Deutschen Jugend-Fernschachmeisterschaft – letztlich ungefährdet – den Sieg errungen. Mit 11 1/2 Punkten aus 13 Partien erzielte er einen Punkt Vorsprung vor seinem ärgsten Konkurrenten V. SCHEEF (Tübingen), der wie Reiner das Turnier ohne Niederlage abschloss.

In der Turniertabelle ist Reiner LAUBE mit seinem Dienstort Neustadt/Holstein aufgeführt; denn nach dem Abitur 1983 hat er sich für vier Jahre als Zeitsoldat bei der Bundeswehr verpflichtet. In der Zwischenzeit hat er, wann immer der Dienstplan es erlaubte, treu die 1. Mannschaft des SK Halle 1946 bei Mannschaftskämpfen in der Regionalliga unterstützt.

Der großartige Erfolg erlaubt die Feststellung, dass Reiner LAUBE die Bundeswehrzeit, die ihn zum Kürzertreten im Nahschach zwang, hervorragend genutzt hat.

Zum Jahreswechsel gab Reiner LAUBE der Redaktion dieser Festschrift das folgende Interview:

Redaktion:

Lieber Reiner, der SK Halle 1946, dem Du schon seit 1979 angehörst, ist stolz darauf, Dir zu der im Sommer errungenen Deutschen Jugend-Fernschachmeisterschaft gratulieren zu dürfen. Wann und wie bist Du – von Deinen Vereinskameraden fast unbemerkt – zum Fernschach gekommen?

R. LAUBE:

Das war 1980. Damals hat mir Klaus HEMMELGARN, der in vielen Fernschach-Turnieren erfolgreich war, ein paar interessante Stellungen zur gemeinsamen Analyse vorgelegt und damit meine Neugier erweckt. Auf seine Anregung hin habe ich mich dann zur Deutschen Jugend-Fernschachmeisterschaft angemeldet.

Redaktion:

Auf welchem Wege musstest Du Dich für die Endrunde qualifizieren?

R. LAUBE:

Die Jugendmeisterschaft ist ein offenes Turnier ohne besondere Zulassung, das bedeutet eine große Zahl von parallellaufenden Vorrundengruppen. Meine Vorrunde dauerte bei 8 Teilnehmern ein Jahr, die anschließende Zwischenrunde bei 9 Teilnehmern eineinhalb Jahre. Die Endrunde begann im Dezember 1982 und zog sich zweieinhalb Jahre hin.

Redaktion:

Wie waren Deine Erfolge in Vor- und Zwischenrunde?

R. LAUBE:

In der Zwischenrunde musste ich ein Remis abgeben, sonst – nun ja, die anderen Partien habe ich gewonnen.

Redaktion:

Das ist ja ein tolles Ergebnis: Keine Niederlage und nur vier Unentschieden in insgesamt 28 Partien! Doch nun interessiert uns sehr, worin für Dich die positiven Seiten des Fern Schachs liegen.

R. LAUBE:

Während im Nahschach viele Faktoren eine Rolle spielen wie zum Beispiel Zeitnot, Konzentration oder äußere Spielbedingungen, wird Fernschach hauptsächlich von der Analyse geprägt. Dies bietet die Chance, tiefer in eine Stellung einzudringen und deren Möglichkeiten am weiteren Partieverlauf zu überprüfen. Somit stehen Ausdauer, Fleiß und Geduld im Vordergrund. Man könnte fast sagen, dass im Fernschach derjenige gewinnt, der sich intensiver mit den einzelnen Stellungen beschäftigt. Diese Dinge liegen mir; im Übrigen steht für mich fest, dass im Fernschach das Partieniveau höher liegt als im Nahschach.

Redaktion:

Gibt es für Dich beim Fernschach auch Punkte, die Du kritisch siehst? Hast Du auch negative Erfahrungen gemacht?

R. LAUBE:

Fernschach ist ein sehr zeitaufwendiges Hobby, das – richtig betrieben – wenig Spielraum für andere Beschäftigungen lässt. Die eine oder andere Position kann einen im wahrsten Sinne des Wortes um den Schlaf bringen. Dies als allgemeiner Hinweis – speziell auf die Turnierpraxis bezogen kommt es leider auch zu negativen Randerscheinungen durch Spieler, die das Turnier verzögern. Sie nehmen Urlaub, der ihnen nicht mehr zusteht, überschreiten einmal kräftig die Bedenkzeit – beim Fernschach führt erst die zweite Zeitüberschreitung zum Verlust – oder behaupten, die Karte des Gegners sei nicht eingetroffen. Einer der Gründe für dieses Verhalten könnte darin bestehen, dass bei größeren Turnieren erfahrungsgemäß einzelne Spieler vorzeitig zurücktreten. Im fortgeschrittenen Stadium des Turniers werden deren bisher erzielte Punkte nicht mehr annulliert, nur die nicht beendeten Partien gehen dann „kampflos“ an die Gegner. Zweifelhaftes Ziel solcher Zögerer ist es also, die Entscheidung hinauszuschieben, um Punkteinbußen gegen Aussteiger zu vermeiden. In der Regel verlaufen die Partien aber sehr fair.

Redaktion:

Wie wird es nun weitergehen? Beinhaltet der Sieg in der Deutschen Jugend-Fernschachmeisterschaft irgendeine Qualifikation?

R. LAUBE:

Ja, und zwar zur Vorrunde der Deutschen Senioren-Fernschachmeistenschaft, die im Gegensatz zur Jugendmeisterschaft kein offenes Turnier darstellt. Da meines Wissens die Qualifikation nicht verfällt, werde ich dort erst nach einer gewissen Pause einsteigen.

Redaktion:

Reiner, Du hast in jungen Jahren schon glänzende Erfolge im Nahschach errungen: Wir erinnern an den 3. Platz bei der NRW-B-Jugendmeisterschaft 1979, den 3. Platz bei der OWL-Einzelmeisterschaft der Herren 1981 in Löhne als A-Jugendlicher, den zweimaligen Gewinn des Dâhnepokals 1982 und 1983 auf OWL-Verbandsebene sowie an her vorragende Ergebnisse bei den Regionalliga-Mannschaftskämpfen von Halle I. Deine Ingo-Zahl hattest Du auf knapp über 90 Punkte gebracht, und wir glauben, dass Du damit noch nicht annähernd an die Grenzen Deiner Entwicklungsmöglichkeiten gestoßen bist. Dürfen wir darauf hoffen, dass Du nach Beendigung Deiner Bundeswehrzeit auch im Nahschach wieder die Zügel anziehen wirst?

R. LAUBE:

Auch ich hoffe, daß mir das gelingen wird, da mir die direkte Auseinandersetzung mit dem Gegner von Angesicht zu Angesicht viel gibt. Dazu benötige ich aber Praxis und Vorbereitung, die mit im Augenblick nicht möglich sind. Deshalb kann ich übrigens auch nicht die Last der Verantwortung auf mich nehmen, die für mich mit der Wahrnehmung des Vereinsplatzes bei der OWL-Einzelmeisterschaft der Herren 1986 in Halle verbunden wäre. Die weitere Entwicklung nach 1987 wird allerdings stark von meinem weiteren beruflichen Werdegang abhängen, über den ich zurzeit noch nicht genügend Klarheit gewonnen habe.

Redaktion:

Um zum Schluss einen Kontrapunkt zum langwierigen Ablauf von Fernschachpartien zu setzen: Vor kurzem hast Du bei stärkster Konkurrenz das Weihnachts-Blitzturnier 1985 des SK Halle recht überlegen gewonnen. Worin liegt für Dich, falls gegeben, der Reiz des Blitzschachs?

R. LAUBE:

Wie Sie schon andeuteten, es ist vor allem der Gegensatz zur ruhigen Arbeit im stillen Kämmerlein, der schnelle Wechsel der Situationen, die Spannung und besondere Stimmung, die über dem Turniersaal liegt. Im Übrigen kann man ab und zu neue Eröffnungsvarianten ohne allzu große Verpflichtung ausprobieren.

Redaktion:

Reiner, wir danken Dir für dieses Gespräch.