Da alle anderen Aktivitäten in konkurrierenden Sportarten mehr oder weniger vollständig ruhen, tun sich derzeit große Lücken im Lokalsportteil der Lokalzeitung auf. Die Chance haben wir genutzt, um einen Artikel über Schach zu platzieren. Hier folgt nun die ungekürzte Version, die ich redigiert habe. Für die Veröffentlichung in der Zeitung wurde sie noch etwas gekürzt. Viel Vergnügen!
Schach ist nicht matt: Könige, Damen und Bauern sind immun gegen Corona
Wir befinden uns im Frühjahr 2020. Die ganze Sportwelt steht still… Die ganze Sportwelt? Nein! Schach, eine schon fast vergessen geglaubte Randsportart, reüssiert gerade jetzt. Auch beim SK Halle und den anderen Vereinen im Altkreis.
Natürlich blieb auch Schach nicht verschont. Das WM Kandidatenturnier – abgebrochen, die Schloss-Open des SK Werther – abgesagt. Doch trotz der Corona-Krise freut sich der Denksport momentan allergrößter Beliebtheit. Weil das Spiel dank des Internets auch vollständig virtuell gespielt werde kann, tummeln sich auf den Plattformen im Netz weiterhin Schachspieler, vom Großmeister bis zum völligen Anfänger.
Selbst der Weltmeister ist begeistert. „Schach ist einzigartig in der Sportwelt, da die Bewegungen gleich sind, egal ob auf einem Holzbrett oder einem Computerbildschirm“, sagte jüngst Magnus Carlsen zur Ankündigung seines Online-Superturniers, bei dem er ab dem 18. April sieben seiner ärgsten Rivalen herausfordert. Es geht um 250.000 Dollar Preisgeld.
Um Ruhm und Ehre geht es dafür bei den heimischen Schach-Experten. Am Freitag beispielsweise trafen sich 17 Spieler aus dem Altkreis und Umgebung an virtuellen Brettern auf der Plattform „Lichess.org“ zu einem Turnier. „Natürlich ist es noch schöner, sich auch persönlich zu begegnen“, sagt Markus Schirmbeck als Initiator der Veranstaltung, „denn wenn man an der Körpersprache sieht, dass der Gegner gleich einen Fehler begehen wird, macht es doch erst richtig Spaß. Aber im Internet zu spielen ist fast genauso gut, besonders wenn noch parallel über Videokonferenz virtuelle Nähe simuliert wird wie beim Teutopokal.“
Auch der Aufwand für den Turnierleiter ist gering. Zwei Stunden wird gegen wechselnde Gegner angetreten, der Computer koordiniert den dynamischen Spielplan auf dem kostenlosen, da durch Spenden finanzierten, Server. Am Ende gewann Jan Haskenhoff vom SK Werther, der an einem Turnier vor Ort wahrscheinlich gar nicht hätte teilgenommen, weil er inzwischen beruflich bedingt ins Sauerland gezogen ist.
Haskenhoffs Stammverein, der SK Halle, ist die Anlaufstelle für Schachinteressierte in der Lindenstadt. „Schach ist ein Gegenpol zu unser schnelllebigen Zeit. Es geht gegen den allgemeinen Trend nicht um Multitasking, sondern darum, sich mal ein paar Stunden auf den Hintern zu setzen, sein Handy auszuschalten und sich intensiv nur auf eine Sache zu konzentrieren“, findet Schirmbeck, der selbst in der IT-Branche tätig ist: „Meiner Frau gefällt es zwar nicht so, wenn sie mich während des Schachs nicht anrufen kann. Aber es tut gut, mal nicht ständig erreichbar zu sein. Den Wert davon erkennen inzwischen auch viele Eltern, die ihre Kinder zum Schachspiel motivieren und in unsere Jugendgruppe bringen.“
Viele Haller Jugendlichen nehmen das Jugendangebot des Schachvereins gerne an. Kein Handy vibriert in der Haller Destille, wenn der Jugendwart Frank Bergmann jeden Freitag 10 bis 15 Nachwuchs-Denksportler empfängt. In Corona-Zeiten laufen natürlich auch diese Trainingseinheiten online ab, in einem Videochat wird Schachtaktik und Strategie vermittelt.
„Ich bin Frank unheimlich dankbar, dass er viel Zeit und Herzblut investiert, um die Jugendlichen für das Schachspiel zu begeistern. Idealerweise schaffen wir es auch, sie beim Übergang ins Erwachsenenalter im Verein zu halten.“, lobt Schirmbeck
Der Haller Schachverein freut sich außerdem, dass es in Kürze Kurse für Erwachsene in Kooperation mit der Volkshochschule geben wird und gemeinsam mit der Wohneinrichtung Odilia ein inklusives Projekt für Menschen mit Handicaps startet. „Wir versuchen durch den Ausbau unserer Angebote Menschen jeden Alters und Fähigkeit für das Schachspiel zu gewinnen“, erläutert Schirmbeck, „Es gibt in fast jeder Schule eine Schach-AG, die Sekundarschule in Versmold bietet Schach sogar als reguläres Unterrichtsfach an.“
Wer sich für Schach interessiert, findet auf www.sk-halle.de weitere Informationen und Kontaktmöglichkeiten.
Schachtraining beim SK Halle per Videostream